In einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung geht das Einheitliche Patentgericht (EPG) von einer Zuständigkeit für Patentverletzungen im Vereinigten Königreich aus, wenn der Beklagte in einem EPG-Vertragsmitgliedstaat ansässig ist. Kläger können nun erwägen, nicht nur den deutschen und französischen Teil eines europäischen Patents gegen einen inländischen Beklagten durchzusetzen, sondern sogar Teile, die in Nicht-EU-Staaten wie dem Vereinigten Königreich validiert wurden.
Das Einheitliche Patentgericht (EPG) ist ein gemeinsames Patentgericht von 18 teilnehmenden EU-Staaten (Vertragsmitgliedstaaten), darunter Deutschland, Frankreich, Italien und die Benelux-Staaten, die zusammen über 80 % des BIP der EU repräsentieren. Er wurde geschaffen, um die Durchsetzung von Patenten in Europa zu erleichtern.
Ein vom Europäischen Patentamt (EPA) erteiltes Europäisches Patent (EP) kann in einem einzigen Patenterteilungsverfahren für bis zu 39 Länder (EPA-Mitgliedsstaaten), darunter alle EU-Staaten, das Vereinigte Königreich, die Schweiz usw., validiert werden. Bevor das EPG im Juni 2023 seine Arbeit aufnahm, musste ein Patentinhaberin in jedem Land klagen, in dem es das Patent durchsetzen wollte. Mit dem EPG kann der Patentinhaber nun stattdessen Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche in allen Vertragsstaaten, in denen das EP validiert wurde, in einem einzigen Verfahren geltend machen.
In einer Entscheidung vom 28. Januar 2025 hat die Lokalkammer Düsseldorf des EPG diesen territorialen Geltungsbereich weiter ausgedehnt. Das Gericht ist nun auch für Verletzungshandlungen zuständig, die im Vereinigten Königreich (das kein EPG-Vertragsmitgliedstaat ist) begangen werden, wenn der Beklagte seinen Sitz in einem Vertragsmitgliedstaat (hier: Deutschland) hat. Die Entscheidung gilt auch für andere Länder, die keine EPG-Vertragsmitgliedstaaten sind, in denen aber ein EP validiert ist.
Das EPG leitet seine Zuständigkeit aus Art. 4 (1) Brüssel-Ia-VO ab, wonach Personen mit Wohnsitz in einem EU-Mitgliedstaat (hier: Deutschland) vor den Gerichten dieses Mitgliedstaates (hier: dem EPG, vgl. Art. 71a Brüssel-Ia-VO) verklagt werden können. Hinsichtlich der Anwendbarkeit der Brüssel-Ia-VO verweist das EPG auf die Entscheidung Owusu (EuGH, 1.3.2005 - C-281/02, Rn. 34 f.), in der der EuGH zu Art. 4 Brüssel-Ia-VO (früher Art. 2 Brüsseler Übereinkommen) feststellt, dass die Zuständigkeitsregeln des Brüsseler Übereinkommens nicht nur für Fälle gelten, in denen ein tatsächlicher und hinreichender Zusammenhang mit dem Binnenmarkt besteht, der definitionsgemäß mehrere EU-Staaten umfasst. Vielmehr ist Art. 2 Brüsseler Übereinkommen auf Sachverhalte anwendbar, die Beziehungen zwischen den Gerichten eines einzelnen EU-Staates und denen eines Nicht-EU-Staates betreffen. Daher könne nach dem EuGH das für die Anwendung der Brüssel-Ia-VO erforderliche internationale Element auch außerhalb der EU liegen. Zusammenfassend ermöglicht es die Bestimmung dem Patentinhaber, alle seine Ansprüche wegen Patentverletzung vor einem einzigen Gericht geltend zu machen (EuGH, 1.3.2005 - C-281/02, vgl. Rn. 31).
In Anbetracht dessen werden Patentstreitigkeiten vor dem EPG noch attraktiver, wenn parallele Streitigkeiten in anderen Jurisdiktionen vermieden werden können. Dieser Fall war jedoch insofern besonders, als der Rechtsbestand des britischen Teils des EP nicht angegriffen wurde. Es bleibt abzuwarten, wie das EPG entscheidet, wenn es im Vereinigten Königreich einen solchen Nichtigkeitsangriff gibt. Für einen EU-internen Fall weist Art. 24 (4) Brüssel-Ia-VO dem Gericht, bei dem der Rechtsbestand angegriffen wird, die ausschließliche Zuständigkeit für die Bewertung des Rechtsbestandes zu. Daher kann kein anderes Gericht eine dauerhafte Unterlassungsverfügung gegen die Verletzung erlassen, solange nicht über den Rechtsbestand entschieden wurde.
Für den vorliegenden Fall, in dem der EP-Teil eines Nicht-EU-Staates durchgesetzt wurde, ist Artikel 24 Brüssel-Ia-VO zwar nicht anwendbar. Es stellt sich aber die Frage, ob Artikel 24 auf der Souveränität der Staaten beruhendes Völkergewohnheitsrechts kodifiziert, so dass die gleichen Regeln für Unterlassungsklagen mit Wirkung in Nicht-EU-Staaten gelten. Eine Antwort auf diese Frage könnte der EuGH in der derzeit anhängigen Rechtssache C-339/22 geben.
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