In mehreren kürzlich veröffentlichten Urteilen äußert sich der Bundesfinanzhof (BFH) zu Teilaspekten der Grunderwerbsteuerpflicht bei Share Deals – auch entgegen der bisherigen Finanzverwaltungsauffassung. Dies betrifft mögliche steuerfreie Verlängerungen der Beteiligungskette an Personengesellschaften, die Einordnung einer niederländischen Stiftung (stichting) für Zwecke grunderwerbsteuerlicher Befreiungsvorschriften und Details der Klassifizierung von Neu- und Altgesellschaftern im Sinne des § 1 Abs. 2a S. 4 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG).
In einem Urteil vom 21. August 2024, Az. II R 16/22, beschäftigt sich der BFH mit den grunderwerbsteuerlichen Auswirkungen der Verlängerung der Beteiligungskette an einer grundbesitzenden Personengesellschaft für Zwecke des § 1 Abs. 2a S. 1, S. 2 GrEStG.
Nach Auffassung des BFH sind Personengesellschaften für Zwecke der Analyse, ob es zu einer mittelbaren Änderung im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Personengesellschaft von mindestens 95% (heute 90%) kommt, als transparent zu behandeln. Dies bedeute, dass bei mehrstöckigen Personengesellschaften auf allen Ebenen durch beteiligte Personengesellschaften hindurchzusehen ist. Zu einer relevanten mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands einer grundbesitzenden Personengesellschaft kommt es daher nur dann, wenn zu mindestens 95% (heute 90%) neue Rechtsträger beteiligt werden, an denen keine gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen bestehen können – also natürliche Personen und juristische Personen außer Kapitalgesellschaften.
Im Ergebnis löst somit die Verlängerung einer Beteiligungskette an einer grundbesitzenden Personengesellschaft durch eine oder mehrere Personengesellschaften, ohne dass es zu Änderungen auf Ebene der beteiligten natürlichen Personen oder Kapitalgesellschaften kommt, keine relevante mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands einer Personengesellschaft aus, somit unterliegt dies für sich nicht der Grunderwerbsteuer gem. § 1 Abs. 2a GrEStG. Der BFH positioniert sich klar gegen die bisher von der Finanzverwaltung im Gleich lautenden Ländererlass vom 10. Mai 2022 vertretene Auffassung, dass keine transparente Beurteilung neu beteiligter Personengesellschaften erfolgt und lediglich eine anteilige Befreiung nach § 6 Abs. 3 GrEStG möglich wäre. Es bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung auf die neue Rechtsprechung reagieren wird.
Diese Auslegung des Gesetzes ist auf Grund des identischen Wortlauts zu § 1 Abs. 2b GrEStG wohl auch auf den Tatbestand der mittelbaren Änderungen des Gesellschafterbestands einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft anzuwenden. Zu beachten bleibt aber, dass dies jeweils nur für mittelbare Änderungen gilt. Für unmittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Gesellschaft gilt nach wie vor eine zivilrechtliche Betrachtungsweise, sodass die Beteiligung eines neu an der grundbesitzenden Gesellschaft beteiligten Rechtsträgers Grunderwerbseuer nach § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b GrEStG auslösen kann.
Daneben bleibt zu beachten, dass bei der Verlängerung der Beteiligungskette durch (mittelbaren) Übergang von mindestens 90% der Anteile an grundbesitzenden Gesellschaften auf einen Erwerber bzw. einer dadurch eintretenden faktischen oder wirtschaftlichen Anteilsvereinigung von mindestens 90% bei einem Erwerber weiterhin eine Besteuerung nach § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG in Betracht kommt. Das heißt, die oben genannte Rechtsprechung kommt nur im Hinblick auf die Frage zum Tragen, ob ein sogenannter Zählerwerb für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG vorliegt, nicht aber im Hinblick auf die Tatbestände nach § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG.
Mit Urteil vom 23. Juli 2024, Az. II R 11/22, äußert sich der BFH zur Frage der Klassifizierung einer Stiftung nach niederländischem Recht (stichting) für Zwecke der Anwendung der Befreiungsvorschriften für Gesamthandsgemeinschaften nach § 5 GrEStG.
Der BFH stellt zunächst klar, dass die Befreiungsvorschriften auch auf ausländische Gesellschaften anwendbar sind, sofern diese nach dem anzustellenden Rechtstypenvergleich mit einer inländischen Gesamthandsgemeinschaft vergleichbar sind. Dabei ist der Abgleich der zivilrechtlichen Strukturmerkmale der Gesellschaften relevant, die Form der Besteuerung der stichting in den Niederlanden spielt dabei keine Rolle.
Im Ergebnis urteilt der BFH, dass das FG Münster in der zu Grunde liegenden Entscheidung rechtfehlerfrei ermittelt hatte, dass auch eine in Form der Verwaltungsstiftung errichtete Niederländische Stiftung (stichting administratiekantoor) nicht mit einer inländischen Gesamthandsgemeinschaft vergleichbar ist. Dies ergebe sich bereits daraus, dass eine stichting auf Grund des Fehlens von Mitgliedern oder Anteilseignern sich wesentlich von einer Gesamthandsgemeinschaft deutschen Rechts unterscheidet, welche einen Personenverband von mindestens zwei Gesellschaftern voraussetzt. Daneben würden Zertifikate an einer stichting keine vermögensrechtliche Beteiligung an von der stichting gehaltenen Anteilen vermitteln, sondern lediglich Bezugsrechte auf Erträge aus den Anteilen. Dass die stichting in den Niederlanden steuerlich transparent behandelt werde, sei unerheblich.
Diese Ansicht bestätigte der BFH nochmals in einem kürzlich veröffentlichten Urteil (Urteil vom 30. Oktober 2024, Az. II R 14/23).
Somit sind Befreiungsvorschriften nach § 5 GrEStG nicht auf niederländische Stiftungen anzuwenden. Die Frage der Berücksichtigung einer solchen Stiftung für Zwecke der grunderwerbsteuerlichen Ersatztatbestände nach § 1 Abs. 2a – Abs. 3a GrEStG bleibt allerdings weiterhin offen.
Zuletzt äußerte sich der BFH mit Urteil vom 31. Juli 2024, Az. II R 28/21, zur bisher nicht geklärten Frage, wie Änderungen der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, welche direkt an einer grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt ist, für Zwecke des § 1 Abs. 2a S. 4 GrEStG konkret zu ermitteln sind (möglicher fiktiver Neugesellschafter).
Der BFH urteilte in Übereinstimmung mit der von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung, dass für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG weiterhin eine klare strukturelle Unterscheidung zwischen direkt beteiligten Personengesellschaften und direkt beteiligten Kapitalgesellschaften Anwendung finde. Während durch direkt beteiligte Personengesellschaften wirtschaftlich „hindurchzusehen“ sei, gelte für direkt beteiligte Kapitalgesellschaften ein striktes Ebenenprinzip. Daraus folge, dass Personen, welche bereits direkt an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt sind (auch als Komplementäre), sich aber erstmals an einer beteiligten Kapitalgesellschaft beteiligen, in Bezug auf diese als Neugesellschafter und nicht als Altgesellschafter zu behandeln seien. Werden also mindestens 95% (heute 90%) der Anteile an einer Kapitalgesellschaft, die an einer grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt ist, auf Personen übertragen, die bereits direkt Gesellschafter der grundbesitzenden Gesellschaft sind, gilt die Kapitalgesellschaft dennoch in vollem Umfang als Neugesellschafter für Zwecke des § 1 Abs. 2a S. 4 GrEStG.
Entsprechend kann dieser Vorgang Grunderwerbsteuer auslösen, wenn er insgesamt dazu führt oder dazu zukünftig dazu beiträgt, dass innerhalb von 10 Jahren mindestens 90% der Beteiligung an der grundbesitzenden Personengesellschaft auf (fiktive) Neugesellschafter übertragen werden (relevanter Zählerwerb).
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