Bei grenzüberschreitenden Kaufverträgen über Waren kommt es häufig vor, dass die Vertragsparteien das auf den Vertrag anwendbare Recht nicht ausdrücklich (schriftlich) regeln oder die Rechtswahl nicht wirksam getroffen wurde, weil beispielsweise Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) eines Vertragspartners mit einer Rechtswahlklausel nicht wirksam einbezogen wurden. Kommt es dann nachträglich zum Streit, stellt sich oft die Frage nach dem Gerichtsstand und dem anwendbaren Recht.
Diese Problematik und die richtige Bestimmung des anwendbaren Rechts sollen durch den folgenden Beitrag erläutert werden.
1. Anwendbarkeit der United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods (CISG)
Das UN-Kaufrecht oder die United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods (CISG) regelt den internationalen Warenkauf zwischen Unternehmen aus verschiedenen Vertragsstaaten. Sie trat 1988 in Kraft und wurde von mehr als 90 Staaten ratifiziert, darunter auch von den U.S.A., China und Deutschland. Die CISG hat Vorrang vor dem jeweils anwendbaren Kollisionsrecht der einzelnen Vertragsstaaten (z.B. der Rom-I-Verordnung). Allerdings ist das nationale Kollisionsrecht dann berufen, wenn es um die Anwendung im Verhältnis zu Nichtvertragsstaaten geht. Ferner kommt es außerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs der CISG zum Zuge. Gleiches gilt für inhaltliche Lücken der CISG. Vielen Rechtsanwendern ist die CISG und ihr Regelungsgehalt aber nicht vertraut, weshalb die CISG oft vertraglich ausgeschlossen wird, ohne zunächst zu prüfen, ob dessen Regelungen im Einzelfall nicht sogar für die eigene Position und Interessen günstiger sein können.
Sachlicher Anwendungsbereich
Die CISG regelt Verträge über den Kauf und Verkauf von Waren zwischen Parteien, die in verschiedenen Vertragsstaaten ansässig sind. Käufer und Verkäufer müssen Unternehmer sein. Waren sind dabei bewegliche Sachen wie Autos, Elektronikartikel und sogar Nutztiere. Dabei werden vor allem die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien, insbesondere bezüglich der Lieferung der Ware und der Zahlung des Kaufpreises geregelt. Vom Anwendungsbereich ausgenommen sind dagegen Käufe von Waren für den privaten Gebrauch (Verbrauchergeschäfte), Verkäufe von Grundstücken, Schiffen, Flugzeugen sowie Strom und Dienstleistungen.
Räumlicher Anwendungsbereich
Die CISG kommt automatisch zur Anwendung, wenn beide Vertragsparteien ihren Sitz in Vertragsstaaten haben oder wenn die Regeln des internationalen Privatrechts auf das Recht eines Vertragsstaates der CISG verweisen. Letzteres ist auch dann der Fall, wenn die Parteien mittels einer Rechtswahlklausel das Recht eines Vertragsstaats für anwendbar erklären.
Zeitlicher Anwendungsbereich
Sie gilt, wenn der Vertrag nach Inkrafttreten des CISG in den beteiligten Staaten geschlossen wurde.
Abdingbarkeit
Die Parteien können den Geltungsbereich der CISG durch vertragliche Vereinbarung ausschließen oder teilweise ändern, z.B. auch durch AGB. Es gilt also die Vertragsfreiheit im Hinblick auf die Anwendbarkeit der CISG.
Regelungsgehalt des CISG
Die CISG ist in vier Teile gegliedert. Im ersten Teil sind der Anwendungsbereich und die allgemeinen Bestimmungen geregelt. Hier werden die Voraussetzungen für die Anwendung und die Grundprinzipien des Übereinkommens geregelt. Der zweite Teil regelt den Vertragsschluss durch Angebot und Annahme. Im dritten Teil werden sodann die Rechte und Pflichten von Käufer und Verkäufer und die Rechtsfolgen bei Vertragsverletzungen wie Schadensersatz, Vertragsaufhebung und Minderung geregelt. Der vierte Teil beinhaltet schließlich organisatorische und verwaltungstechnische Bestimmungen, wie den Beitritt weiterer Staaten zum Übereinkommen.
2. Vorteile und Nachteile für Käufer und Verkäufer
Ob die CISG für eine Vertragspartei vorteilhafter oder nachteilhafter als das jeweilige nationale Recht der Vertragspartner ist, kann nicht pauschal beantwortet, sondern muss im Einzelfall geklärt werden.
Im Vergleich zum deutschen Kaufrecht bietet die CISG für den Käufer den Vorteil, dass ihm im Falle einer Vertragsverletzung bei Mängeln gemäß Art. 45 I (b) CISG ein verschuldensunabhängiger, garantieähnlicher Schadensersatzanspruch gegen den Verkäufer zusteht, welcher bzgl. des Schadensumfangs sehr weitgehend ist.
Für den Verkäufer dagegen hat die CISG im Vergleich zum deutschen Kaufrecht den Vorteil, dass sich der Käufer hier nur bei wesentlichen Vertragsverletzungen vom Vertrag lösen kann, weil eine Vertragsaufhebung in der CISG die ultima ratio darstellt. Im deutschen Kaufrecht reicht es für einen Rücktritt vom Kaufvertrag dagegen bereits aus, dass der Mangel nicht unerheblich ist. Auch für eine Nacherfüllung gelten in der CISG strengere Anforderungen als im deutschen Recht.
Natürlich gibt es auch Vorteile durch die Anwendung der CISG, welche beiden Vertragspartnern gleichermaßen zugutekommen. Beispielsweise ist es für beide Vertragspartner vorteilhaft, dass die Regelungen der CISG fast gänzlich durch die Vertragspartner vertraglich modifiziert und auf deren Bedürfnisse abgestimmt werden können. Zudem ist auch der Gesetzestext in nahezu allen weltweit gesprochenen Sprachen verfügbar, was eine kostspielige und fehleranfällige Übersetzung entbehrlich macht. Schließlich ist die CISG auch deshalb für die Vertragsparteien attraktiv, weil sie ein vereinheitlichtes Recht darstellt, welches für beide Vertragspartner verständlich und in seinen Rechtsfolgen vorhersehbar ist.
3. Anwendbarkeit des Kollisionsrechts
Sofern die CISG nicht anwendbar ist oder wirksam ausgeschlossen wurde oder das UN-Kaufrecht bzgl. Einzelheiten der Vertragsbeziehung – etwa für die Frage der Verjährung – keine Regelung enthält, richtet sich die rechtliche Beurteilung nach dem jeweils anwendbaren Kollisionsrecht.
Bei Verträgen, welche eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen, ist beispielsweise der Anwendungsbereich der Rom-I-VO eröffnet, vgl. Art. 1 Abs. 1 Rom-I-VO. Art. 3 Abs. 1 der Rom-I-VO gestattet den Parteien dabei die freie Rechtswahl. Diese muss ausdrücklich erfolgen oder sich eindeutig aus den Umständen des Falles ergeben.
Haben die Parteien dagegen keine Rechtswahl getroffen oder ist die Rechtswahl unwirksam, weil z.B. eine Rechtswahl in AGB getroffen und diese nicht wirksam in den Vertrag einbezogen wurden, bestimmt sich das anwendbare Recht nach Art. 4 Rom-I-VO. Gemäß Art. 4 Abs. 1 a) Rom-I-VO ist bei Kaufverträgen das Recht des Staates anwendbar, in welchem der Verkäufer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Die Anwendbarkeit der CISG kann, wie oben bereits erwähnt, individualvertraglich oder durch AGB ausgeschlossen werden, Art. 6 CISG.
Bei internationalen Kaufverträgen, auf welche die CISG nach dem internationalen Privatrecht grundsätzlich anwendbar ist, stellt sich insbesondere die Frage, ob ein Ausschluss der CISG in AGB wirksam in den Vertrag einbezogen wurden. Dies beurteilt sich ebenfalls nach den Vorschriften der CISG.
Die Konvention enthält jedoch selbst keine ausdrücklichen Regelungen zu der Frage, ob die AGB wirksam in den Vertrag einbezogen wurden, weshalb die allgemeinen Vorschriften zum Vertragsschluss in den Art. 14 ff. CISG gelten und durch Auslegung zu klären ist, ob diese Regelungen Vertragsbestandteil geworden sind.
Bei der Auslegung sind auch die Gepflogenheiten zwischen den Parteien und die internationalen Handelsbräuche zu beachten. Allgemein anerkannt ist, dass der Vertragspartner die Möglichkeit haben muss, von den AGB in zumutbarer Weise Kenntnis zu erlangen. Die Einbeziehung muss für den Vertragspartner daher erkennbar sein. Zusätzlich muss dem Vertragspartner der AGB-Text übersandt oder anderweitig zugänglich gemacht werden.
Der Grund für diese hohen Anforderungen ist, dass in den unterschiedlichen nationalen Rechtsordnungen erhebliche Unterscheide bzgl. des Inhalts von AGB bestehen und der Vertragspartner daher vor Vertragsschluss wissen soll, worauf er sich einlässt. Zudem ist es auch unschwer möglich, dem Vertragspartner den Text der AGB vor Vertragsschluss zukommen zu lassen. Eine weitere Voraussetzung für eine wirksame Einbeziehung ist, dass die AGB auch in der Vertragssprache verfügbar sind.
Wie zuvor dargestellt, ist bei Kaufverträgen über Waren zwischen zwei Unternehmern, welche in Vertragsstaaten ansässig sind, die CISG grundsätzlich anwendbar, sofern keine abweichende Regelung getroffen wurde.
Sollte die Anwendbarkeit der CISG von den Parteien nicht gewünscht sein, sollte diese ausdrücklich ausgeschlossen und eine anderweitige Rechtswahl getroffen werden.
Sofern eine Rechtswahl durch AGB getroffen wird, muss der Vertragspartner damit einverstanden sein. Ferner sollten dem Vertragspartner die AGB vor Vertragsschluss in der Vertragssprache übersandt werden.
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