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Quo vadis: Deliktsrechtliche Haftung von Unternehmen für Klimaschäden?

Legal Insights Germany

27. Juni 2024

Wie die jüngsten starken Regenfälle und die damit verbundenen Überflutungen in Bayern und Baden-Württemberg in den letzten Wochen abermals zeigen, werden Wetterextreme immer häufiger und führen zu immer größeren Schäden. Nach aktuellen Hochrechnungen schätzen die Versicherer nur die durch die Überflutung verursachten, versicherten Schäden auf etwa zwei Milliarden Euro. Die tatsächlich verursachten Schäden dürften aber noch sehr viel höher liegen.

Der Klimawandel stellt eine der größten Herausforderungen der modernen Zeit dar. Es ist keine Neuigkeit, dass Unternehmen durch ihren unmittelbaren oder mittelbaren Ausstoß von Treibhausgasen zur globalen Klimaveränderung beitragen. Es gibt daher seit einigen Jahren gerichtliche Bestrebungen, eine zivilrechtliche Haftung der Unternehmen für Umweltkatastrophen durchzusetzen. Weltweit mediale Aufmerksamkeit bekam das Urteil gegen einen der größten Ölkonzerne der Welt in den Niederlanden (ECLI:NL:RBDHA:2021:5337); die Berufungsentscheidung wird für November dieses Jahres erwartet. Auch in Deutschland geraten sog. Klimaklagen immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit – aber nicht nur Energiekonzerne oder Automobilhersteller, sondern auch Finanzinstitute spüren Gegenwind. 

Eine positiv beschiedene Klimaklage gibt es bisher in Deutschland nicht, doch ein genauerer Blick auf die einzelnen Normen und deren Auslegung lohnt sich, um beurteilen zu können, ob, und wenn ja, unter welchen Umständen Ansprüche begründet sein könnten.

Zivilrechtliche Haftung von Unternehmen

Im deutschen Zivilrecht, das auf dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) basiert, stellt sich die Frage, inwieweit Unternehmen für Klimaschäden haften können.

Weil zwischen Schädiger und Geschädigtem oft keine vertragliche Beziehung vorliegt, kommt eine Haftung nur aus den gesetzlichen Haftungsnormen, insbesondere dem Deliktsrecht, in Betracht.

Das deutsche Deliktsrecht ist im BGB in den §§ 823 ff. geregelt. Die zentrale Norm ist § 823 Abs. 1 BGB, der den Schadensersatzanspruch bei der Verletzung absoluter Rechte, wie Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum oder eines sonstigen Rechts, regelt. Voraussetzung ist eine widerrechtliche und schuldhafte Handlung, die zu einem Schaden führt.

Die Anwendung des § 823 Abs. 1 BGB auf Klimaschäden ist komplex. Ein Kläger müsste nachweisen, dass durch die Emissionen eines Unternehmens ein konkreter Schaden entstanden ist und dass ein Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Unternehmens und dem Schaden besteht. Dies ist bei Klimaschäden besonders schwierig, da es sich um kumulative und globale Effekte handelt.

In den bisher entschiedenen Fällen wurde die Rechtsgutsverletzung vielfach diskutiert. Oft werden Grundrechte in Form des allgemeinen Persönlichkeitsrechts herangezogen, im Ergebnis dann aber abgelehnt. Lediglich in dem Fall eines peruanischen Bauers gegen eines der größten deutschen Energieunternehmen scheint zumindest das OLG Hamm eine Rechtsgutsverletzung in Form einer drohenden Eigentumsverletzung grundsätzlich für möglich zu halten (Az. 5 U 15/17). Speziell eine Haftung für Eigentumsverletzungen, welche durch klimawandelbedingte Umweltphänomene verursacht werden, erscheint daher nicht von vornherein ausgeschlossen.

Schwierigkeiten im Bereich der Kausalität und Rechtswidrigkeit

Eines der größten Hindernisse ist der Nachweis der Kausalität. Die Kausalität wird in diesem Zusammenhang häufig als „Kardinalproblem“ der deliktischen Haftung bezeichnet. Grundsätzlich trägt der Anspruchssteller die Darlegungs- und Beweislast. Dafür ist der Vollbeweis notwendig. Dies ist im Fall von Klimaschäden schwierig: Diese resultieren aus der kumulativen Wirkung von Emissionen vieler verschiedener Quellen weltweit.

Es ist schwer, die Emissionen eines einzelnen Unternehmens eindeutig als Ursache für spezifische Schäden zu identifizieren. Zudem bedarf es einer umfangreichen wissenschaftlichen Beweisführung, um den Zusammenhang zwischen Emissionen und Klimaschäden nachzuweisen.

Dabei wird oft zwischen Schäden durch Naturereignisse unterschieden, welche langsam aber stetig eintreten, wie das Schmelzen der Polkappen oder von Gletschern (sog. „slow onset events“), und solchen, die plötzlich auftreten, wie Waldbrände und Dauerregen (sog. „sudden onset events“).

Jedenfalls bei den „slow onset events“ ist sich ein Großteil der Klimawissenschaftler einig, dass diese mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf den menschengemachten Klimawandel zurückzuführen sind. Bei den jüngsten Ereignissen in Deutschland, welche „sudden onset events“ darstellen, erscheint ein Anspruch somit zweifelhaft.

Der Fall des peruanischen Bauern zeigt, dass auch die Kausalität von den erkennenden Richtern in diesem Verfahren grundsätzlich bejaht wird und dies, obwohl hier sehr viele Schädiger durch ihre CO2-Emissionen gemeinsam für einen Schaden verantwortlich sind. Das scheint in dem Verfahren damit gelöst zu werden, dass das Energieunternehmen nur in Höhe von 0,47 % des Schadens haften soll, was dem Anteil an den weltweiten CO2-Emissionen seit Industrialisierung entspricht.

Problematisch ist ferner, ob der von den Unternehmen verursachte CO2-Ausstoß auch rechtswidrig ist.

Gegen eine Rechtswidrigkeit in diesem Zusammenhang wird häufig vorgebracht, dass die Unternehmen das CO2 im Einklang mit öffentlich-rechtlichen Gesetzen ausstoßen würden, welche deren Tätigkeit erlauben bzw. genehmigen.

Gegen diese Argumentation spricht jedoch, dass es keinen Grundsatz gibt, wonach öffentlich-rechtliche Genehmigungen eine zivilrechtliche Haftung ausschließen. Ferner ordnen auch bestimmte öffentlich-rechtliche Vorschriften eine Haftung für Aufwendungs- oder Schadensersatz an, wenn durch die genehmigte Tätigkeit Eigentumsverletzungen eintreten.

Fazit

Die deliktsrechtliche Schadensersatzhaftung von Unternehmen für Klimaschäden in Deutschland gemäß § 823 Abs. 1 BGB ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Insbesondere der Nachweis der Kausalität bedarf allerdings einer umfassenden Begründung und Beweisführung.

Die rechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen für Klimaschäden bleibt ein dynamisches und umstrittenes Feld. Eine zunehmende Sensibilisierung für Umweltprobleme und rechtliche Entwicklungen könnte jedoch in naher Zukunft zu einer stärkeren gerichtlichen Inanspruchnahme von Unternehmen führen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil klimawandelbedingte Schäden im erheblichen Ausmaß immer häufiger werden. Das Feld der Klimaklagen wird daher auch für Versicherungsunternehmen, welche für die Schäden oft aufkommen müssen, immer interessanter. Große Unternehmen sind daher beraten, ihre Umweltstrategien zu überdenken und proaktiv Maßnahmen zum Klimaschutz zu ergreifen, um möglichen Haftungsrisiken vorzubeugen.

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