Am 29. Mai 2024 hat das Bundeskabinett einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes (KSpG) und Eckpunkte einer Carbon-Management-Strategie beschlossen. Der Gesetzesentwurf beruht auf einem Referentenentwurf vom 26. Februar 2024, der teilweise nachgeschärft wurde. Künftig soll das Gesetz als Gesetz zur dauerhaften Speicherung und zum Transport von Kohlendioxid (Kohlendioxid-Speicherungs- und -Transportgesetz-KSpTG) bezeichnet werden.
Ziel der Gesetzesänderung ist es, die Dekarbonisierung der deutschen Industrie und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu fördern, einen sicheren Rechtsrahmen für die On- und Offshore-Speicherung von CO₂ und den Bau und Betrieb von CO₂-Leitungen zum Transport von CO₂ in privater Trägerschaft zu schaffen.
Nach Auffassung der Bundesregierung werde es ohne die Einführung und Ermöglichung der Carbon Capture and Storage- (CCS- Kohlenstoff Abscheidung und Speicherung) und Carbon Capture and Utilization- (CCU-Kohlenstoff Abscheidung und Nutzung) Technologien nicht möglich sein, die Klimaziele Deutschlands zu erreichen. Durch den Einsatz der Technologien soll erreicht werden, dass schwer oder nicht vermeidbare Emissionen nicht in die Atmosphäre gelangen. Die Verwendung dieser Technologien ist bei Umweltverbänden umstritten, in der Industrie wird ihre Erlaubnis seit einiger Zeit gefordert.
In Deutschland existieren derzeit weder eine CO₂-Leitungsinfrastruktur, die zum Transport großer Mengen CO₂ genutzt werden könnte, noch kommerziell genutzte oder nutzbare CO₂-Speicher.
Das Regelungsregime für CO₂-Leitungen war bisher im KSpG und im Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVPG) enthalten. Es herrscht Rechtsunsicherheit, ob CO₂-Leitungen nach UVPG planfestgestellt werden könnten und das KSpG nur solche Leitungen erfasst, die zu Speichern führen.
Eine Speicherung von CO₂ war bislang nur zu Forschungszwecken möglich. Derzeit könnte CO₂ theoretisch zur Speicherung ins Ausland gebracht werden. Der CO₂-Export zwecks Offshore-Speicherung wird durch Art. 6 des London-Protokoll verboten. Das London-Protokoll wurde zur Modernisierung des Londoner Übereinkommen über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und anderen Stoffen am 7. November 1996 beschlossen und von Deutschland ratifiziert. Es dient dem Meeresschutz und verbietet, Abfälle und andere Stoffe auf offener See zu deponieren und soll so Meeresverschmutzung verhindern. Es enthält eine Liste von Stoffen, die nur unter Beachtung verschiedener Anforderungen deponiert werden können. CO₂ kann danach grundsätzlich als deponierungsfähig angesehen werden. Ein Export des CO₂ zwecks Speicherung im Ausland könnte durch Ratifizierung einer entsprechenden Änderung des Art. 6 erlaubt werden.
CCS und CCU sollen nur förderungsfähig und einsetzbar sein, wenn die Emissionen nicht oder nur sehr schwer anderweitig vermeidbar sind oder eingespart werden können. Als mögliche Anwendungsfelder sieht die Bundesregierung insbesondere die Kalk- und Zementproduktion und die Abfallverbrennung. Sie betont, dass sie weiterhin am Kohleausstieg festhalte und der Zugang zur CO₂-Speicherung und CO₂-Leitungen nicht für Emissionen von Kohle-Stromkraftwerken und Kohle-Kraft-Wärmekopplungs-Anlagen erlaubt werde. Insbesondere soll es keine Förderung für CCS- oder CCU-Anwendungen an mit fossilen Energieträgern betriebenen Kraftwerken geben.
Im Gegensatz zum KSpG soll das KSpTG auch den Transport von CO₂ zu anderen Verwendungszwecken als zur Speicherung ermöglichen.
Die unterirdische Speicherung von industriell verursachtem CO₂ soll Offshore in bestimmten Gebieten des Festlandsockels und der ausschließlichen Wirtschaftszone Deutschlands (d.h. dem Meeresgebiet seewärts des Küstenmeeres (12-Seemeilen-Zone) bis maximal zur 200-Seemeilen Grenze) erlaubt werden. Meeresschutzgebiete und eine Pufferzone von 8 km um sie herum sind von der Nutzungsmöglichkeit ausgenommen.
Eine Onshore-Speicherung soll durch das Bundesgesetz nur zu Forschungszwecken genehmigungsfähig werden. Insofern bleibt der Gesetzesentwurf hinter den Erwartungen der Industrie zurück. Eine Opt-in-Klausel soll es den Bundesländern ermöglichen eigene landesrechtliche Regelungen zur Onshore-Speicherung in ihrem Bundesland treffen zu können.
Der Kabinettsentwurf verweist auf das Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (EnWG) und das Verwaltungsverfahrensgesetz, so dass künftig Regelungen, die sich beispielsweise bei der Planung von Gasleitungen bewährt haben, auch im KSpTG Anwendung finden können. Das für die Genehmigung zum Bau oder Betrieb einer CO₂- Leitung notwendige Planfeststellungsverfahren wird dem Verfahren für Leitungsvorhaben nach dem EnWG angeglichen. Im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens soll für alle CO₂-Leitungen eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden müssen. Nebenanlagen, die zum Betrieb der Leitungen benötigt werden, können mit der Änderung im Planfeststellungsverfahren für die Leitungen mitberücksichtigt werden, wodurch zeitaufwendige Einzelgenehmigungen entfallen. Es soll auch ermöglicht werden, bestehende Gasleitungen umzuwidmen und als CO₂-Leitungen zu verwenden.
Wenn die Errichtung, der Betrieb oder die Änderung von CO₂-Leitungen weit überwiegend oder unmittelbar neben einer Trasse für Wasserstoffleitungen erfolgen soll, so ist nach dem neuen § 4 Abs. 1 KSpTG davon auszugehen, dass die Einfügung einer solchen CO₂-Leitung (vorbehaltlich gegenteiligen Anhaltspunkte) keine zusätzliche Beeinträchtigung anderer Belange darstellt, die über die alleinige Verlegung der Wasserstoffleitung hinausgeht. Es könnte demnach eine parallele Verlegung erfolgen.
Für den Vollzug des Gesetzes ist die nach Landesrecht zuständige Behörde zuständig, auch wenn örtlich die ausschließliche Wirtschaftszone oder der Festlandsockel betroffen ist. Die Planfeststellungsbehörde bleibt auch nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses für geeignete Überwachungsmaßnahmen, die Einhaltung der umweltbezogenen Bestimmungen des Planfeststellungsbeschlusses oder die Sicherstellung der Plangenehmigung bei der Durchführung des Vorhabens zuständig. Im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens gibt es verschiedene Beteiligungsverfahren, Stellungnahme-Erfordernisse und Einvernehmensregelungen. Bspw. wären in bestimmten Konstellationen die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, das Umweltbundesamt und das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie zu beteiligen. Der Kabinettsentwurf enthält gegenüber dem Referentenentwurf kürzere Stellungnahmefristen und Fiktionsregelungen zur Verfahrensbeschleunigung.
CO₂-Speicher dürfen nur erlaubt werden, soweit es zu keiner Beeinträchtigung des Baus und Betriebs von Windenergieanlagen auf See und Offshore-Anbindungsleitungen, sonstigen Energiegewinnungsanlagen zur Erzeugung von Wasserstoff sowie Wasserstoffleitungen kommt.
Die Änderung sieht zudem auch eine Erweiterung der Enteignungsvorschriften vor, die den Ausbau der Infrastruktur erleichtern könnten.
Die geplanten Änderungen des KSpG wären ein erster Schritt, Investitionen in die notwendigen Technologien und den Bau der CO₂-Leitungsinfrastruktur zu ermöglichen. Die Industrien, in denen eine Umstellung auf Strom aus erneuerbaren Energien nicht ausreicht, oder CO₂ nicht vermieden werden kann, könnten so in die Lage versetzt werden, die ab 2050 gesetzlich geforderte Klimaneutralität zu erreichen. Um derartige Investitionen rechtlich zu ermöglichen sind jedoch weitere Gesetzesänderungen und die Änderung des London-Protokolls erforderlich. Wie die Bundesregierung bereits in der Begründung des Referentenentwurfs anmerkt, ist die kurzfristige Umsetzung dieser Änderung und die Effizienz der Verfahren eine notwendige Voraussetzung dafür, dass der Einsatz der CCS und CCU- Technologien noch zur Erreichung der Klima-schutzziele beitragen kann.
Damit die Änderungen in Kraft treten können, müssten nun Bundestag und Bundesrat dem Gesetzesentwurf zustimmen.
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