Das Bundeskabinett hat am 30. August 2023 den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz) verabschiedet. Ziel des Vorhabens, das zahlreiche steuerliche Änderungen vorsieht, ist die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland zu stärken, die Wachstumschancen für die Wirtschaft zu erhöhen sowie Investitionen und Innovation in neue Technologien zu ermöglichen. Auch steuerlich verschärfende Maßnahmen zur Gegenfinanzierung sind geplant.
Der Gesetzentwurf eines Wachstumschancengesetzes sieht folgende wesentliche steuerliche Änderungen vor:
Einführung einer Investitionsprämie zur Förderung des Klimaschutzes (Klimaschutz-Investitionsprämiengesetz): Begünstigt werden erstmalige und nachträgliche Anschaffungs- und Herstellungskosten von abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, wenn diese dem Klimaschutz dienen. Die Wirtschaftsgüter müssen in einem Einsparkonzept enthalten sein, die betriebliche Energieeffizienz verbessern und in einer inländischen Betriebstätte (fast) ausschließlich betrieblich genutzt werden. Die Investition muss nach dem 31.12.2023 bzw. der Verkündung des Gesetzes begonnen und vor dem 01.01.2030 abgeschlossen sein. Die maximale Investitionsprämie beträgt EUR 30 Mio bzw. 15% der maximal förderungsfähigen Bemessungsgrundlage von EUR 200 Mio und ist steuerneutral von den Anschaffungskosten abzusetzen.
Verbesserung steuerlicher Abschreibungen: Geplant ist die Erhöhung des (i) GWG-Betrags von EUR 800 auf EUR 1.000, (ii) des maximalen Sammelpostenbetrags von EUR 1.000 auf EUR 5.000, (iii) der Sonder-AfA-Quote von 20% auf 50% sowie (iv) die befristete Wiedereinführung der degressiven Abschreibung (§ 6 Abs. 2, 2a EStG-E, § 7g Abs. 5 EStG-E).
Änderungen bei der Thesaurierungsbegünstigung: Die Thesaurierungsbegünstigung in § 34a EStG soll vereinfacht und für den Steuerpflichtigen verbessert werden, indem u.a. der begünstigungsfähige Gewinn erhöht wird. Dieser soll künftig auch die gezahlte Gewerbesteuer sowie Beträge umfassen, die zur Zahlung der Einkommensteuer nach § 34a EStG Abs. 1 EStG entnommen werden. Außerdem soll der erstmalige Antrag keiner Frist mehr unterliegen und möglich sein, solange der Steuerbescheid noch geändert werden kann.
Verschärfung der Zinsschrankenregelung (§ 4h EStG-E): Für Zwecke der Freigrenzenregelung (Beibehaltung der EUR 3 Mio) werden ab dem VZ 2024 auch „gleichartige Betriebe die unter einheitlicher Leitung“ stehen bzw. von einer Person oder Personengruppe gemeinsam beherrscht werden, zu einem Betrieb zusammengefasst. Die Stand-alone-Klausel wird geändert, d.h. es wird künftig nicht mehr auf die Konzernzugehörigkeit abgestellt. Stattdessen soll ein Escape möglich sein, wenn der Steuerpflichtige keiner Person iSd. § 1 Abs. 2 AStG nahesteht und auch nicht über eine Betriebstätte außerhalb seines Sitzstaates bzw dem Staat seiner Geschäftsleitung verfügt.
Des weiteren wird die Definition von Zinsaufwendungen (sowie korrespondierend von Zinserträgen) erweitert und bezieht sich künftig auch auf „wirtschaftlich gleichwertige Aufwendungen im Zusammenhang mit der Beschaffung von Fremdkapital iSd. „ATAD-Richtlinie“ (EU) 2016/1164. Daneben soll ein Zins- bzw. EBITDA-Vortrag künftig auch bei Übertragung oder Aufgabe eines Teilbetriebs (bzw. dem Ausscheiden aus einer Organschaft) anteilig untergehen. Neu ist eine Bereichsausnahme von Zinsaufwendungen, die auf Darlehen zur Finanzierung „langfristiger öffentlicher Infrastrukturprojekte“ entfallen, wenn diese Darlehen aus öffentlichen Haushalten stammen, die damit geschaffenen Vermögenswerte innerhalb der Europäischen Union belegen sind und die Einkünfte aus dem Infrastrukturprojekt in einem EU-Mitgliedstaat der Besteuerung unterliegen.
Einführung einer weiteren Zinsausgabenabzugsbeschränkung in Form einer sog. Zinshöhenschranke (§ 4l EStG-E): Zinsen auf Darlehen zwischen nahestehenden Personen iSd. § 1 Abs. 2 AStG sind künftig grundsätzlich nur bis zum Höchstsatz in Form des um zwei Prozentpunkte erhöhten Basiszinssatzes gem. § 247 BGB steuerlich abzugsfähig. Eine Ausnahme hiervon ist möglich, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass sowohl Gläubiger als auch oberste Muttergesellschaft das Kapital bei sonst gleichen Umständen nur zu einem höheren Zinssatz hätten erhalten können. Die Zinshöhenschranke kommt nicht zur Anwendung, sofern (i) der Gläubiger im Sitzstaat oder Geschäftsleitungsstaat einer wesentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht (wobei hier die Regelungen des § 8 Abs. 2 AStG sinngemäß gelten sollen) und (ii) dieser Staat aufgrund zwischenstaatlicher Übereinkommen verpflichtet ist, der Bundesrepublik Deutschland auf Ersuchen Amtshilfe entsprechend dem OECD-Standard für Transparenz und effektiven Informationsaustausch zu leisten.
(Temporäre) Verbesserungen bei der Verlustverrechnung (§ 10d Abs. 1, 2 EStG-E): Die in 2020 erhöhten Beitragsgrenzen für den Verlustrücktrag (EUR 10 Mio bzw. EUR 20 Mio bei Zusammenveranlagung) sollen dauerhaft beibehalten werden und der Verlustrücktrag soll künftig bis zu drei Veranlagungszeiträume zurück möglich sein. Beim Verlustvortrag bleibt die Mindestbesteuerung – anders als noch im Regierungsentwurf – zwar erhalten, allerdings erhöht sich temporär für die VZ 2024 bis einschließlich 2027 die Verlustverrechnungsquote von 60% auf 80% des Gesamtbetrags der Einkünfte.
Erweiterung der beschränkten Steuerpflicht bei nichtselbständiger Arbeit: Die beschränkte Steuerpflicht für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Tätigkeitsstaat soll ausgeweitet werden und künftig auch dann greifen, wenn die Tätigkeit zwar im Ansässigkeitsstaat ausgeübt wird, ein Doppelbesteuerungsabkommen oder eine sonstige bilaterale Vereinbarung das Besteuerungsrecht insoweit dennoch dem Tätigkeitsstaat zuweist. Eine entsprechende Vereinbarung wurde vor kurzem zwischen Deutschland und Luxemburg abgeschlossen.
Kein Buchwertansatz in Spaltungsfällen bei Vorbereitung einer Veräußerung: Die Missbrauchsvermeidungsvorschrift in § 15 Abs. 2 UmwStG wird – als Antwort auf die Rechtsprechung des BFH zu § 15 Abs. 2 S. 3 UmwStG (Urteil vom 11.08.2021 – I R 39/18) – um den Tatbestand der Vorbereitung einer Veräußerung ergänzt. Diese wird künftig unwiderlegbar vermutet, wenn innerhalb von fünf Jahren nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag Anteile an Übernehmer- oder Überträgerin im Wert von mehr als 20% der übertragenden Gesellschaft vor der Spaltung an Personen, die innerhalb der vergangenen fünf Jahre vor der Spaltung nicht durchgängig an der Überträgerin beteiligt waren (sog. außenstehende Personen) veräußert werden. Daneben soll - der bisherigen Verwaltungspraxis entsprechend - erstmals gesetzlich geregelt werden, dass auch mittelbare nachfolgende Veräußerungen schädlich sind. Die Regelung soll bereits auf Spaltungen Anwendung finden, die nach dem 14.07.2023 durch Eintragung in das entsprechende Register wirksam geworden sind.
Mitteilungspflicht über innerstaatliche Steuergestaltungen (§ 138l - n AO-E): Es wird eine Pflicht zur Mitteilung bestimmter innerstaatlicher Steuergestaltungen eingeführt. Diese Mitteilungspflicht orientiert sich an der bereits bestehenden Methodik zur Mitteilung grenzüberschreitender Gestaltungen. Der Anwendungsbeginn soll vom BMF festgelegt werden und soll spätestens am 31.12. des vierten, auf das Kalenderjahr des Inkrafttretens des Wachstumschancengesetzes folgenden Jahres erfolgen.
Gesetzliche Regelung zu grunderwerbsteuerlichen Nachbehaltensfristen und MoPeG: Ausweislich des Gesetzentwurfs soll die Einführung des MoPeG zum 1.1.2024 und die damit verbundene gesetzliche Streichung der „Gesamthand“ keine Verletzung bestehender grunderwerbsteuerlicher Sperrfristen gem. § 5 Abs. 3 S. 1, § 6 Abs. 3 S. 2, § 7 Abs. 3 S. 1 und § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG auslösen. Insoweit soll für Zwecke der Privilegierungsvorschriften in §§ 5, 6, 7 GrEStG künftig nicht mehr auf das „Vermögen der Gesamthand“ sondern auf das Gesellschaftsvermögen iSd. MoPeG abgestellt werden. In der Gesetzesbegründung eines Wachstumschancengesetzes wird überraschenderweise darauf hingewiesen, dass die Privilegierungsvorschriften ab dem 01.01.2024 keinen Anwendungsbereich mehr haben sollen. Die herrschende Meinung geht bislang davon aus, dass dies gerade nicht der Fall ist, d.h. die Privilegierungsvorschriften auch nach Inkrafttreten des MoPeG weiterhin Anwendung finden.
Das Gesetzgebungsverfahren soll bis Ende des Jahres abgeschlossen sein. Es bleibt abzuwarten, ob sich im Zuge der parlamentarischen Beratungen weitere Änderungen am Gesetzentwurf ergeben.
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