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Referentenentwurf eines Zukunftsfinanzierungs-
gesetzes veröffentlicht

Legal Insights Germany

01. Juni 2023

Am 12. April 2023 wurde der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen (Zukunftsfinanzierungsgesetz - ZuFinG) veröffentlicht. Die geplanten Modernisierungsmaßnahmen sollen die Leistungsfähigkeit des deutschen Kapitalmarkts stärken und die Attraktivität des deutschen Finanzstandorts erhöhen. Diese Ziele sollen insbesondere durch folgende Änderungen umgesetzt werden:

  • Im Aktienrecht: Erhöhung der Volumengrenze beim vereinfachten Bezugsrechtsausschluss sowie Einführung des Spruchverfahrens für die sogenannte Bewertungsrüge, Erhöhung der Volumengrenze beim bedingten Kapital für Unternehmenszusammenschlüsse und für die Gewährung von Bezugsrechten an Arbeitnehmer und Führungskräfte, (Wieder-)Einführung von Mehrstimmrechtsaktien
  • Im Börsengesetz: Einführung von Spezialvorschriften für Special Purpose Acquisition Companies (SPACs)
  • Im elektronischen Wertpapiergesetz: Einführung elektronischer Aktien

Des Weiteren werden die genannten Regelungen durch Änderungen im Steuerrecht und Aufsichtsrecht flankiert.

Erhöhung der Volumengrenze beim vereinfachten Bezugsrechtsausschluss sowie Einführung des Spruchverfahrens für die sogenannte Bewertungsrüge

Zur Erleichterung und Beschleunigung der Durchführung von Kapitalerhöhungen soll ein vereinfachter Bezugsrechtsausschluss bei Barkapitalerhöhungen nahe am Börsenkurs zukünftig nicht mehr nur in Höhe von 10 % des Grundkapitals, sondern in Höhe von bis zu 20 % des Grundkapitals zulässig sein. Diese Änderung würde eine erhebliche Flexibilisierung bei der Kapitalbeschaffung bedeuten, da der vereinfachte Bezugsrechtsausschluss es Gesellschaften ermöglicht, kurzfristig neue Aktien im Markt bei Investoren zu platzieren. Bei einer Bezugsrechtskapitalerhöhung ist hingegen nach deutschem Aktienrecht eine zweiwöchige Bezugsfrist einzuhalten und wirtschaftlich hat die Gesellschaft meist einen nicht unerheblichen Abschlag hinzunehmen. Die Erhöhung der Volumengrenze für einen vereinfachten Bezugsrechtsausschluss auf 20 % steht zudem in Einklang mit dem Prospektrecht, das innerhalb eines Jahres eine prospektfreie Zulassung von bis zu 20 % neuer Aktien erlaubt, sofern kein öffentliches Angebot erfolgt. Allerdings ist offen, ob Stimmrechtsberater die Erhöhung des vereinfachten Bezugsrechtsausschlusses auf 20 % mittragen werden, da zumindest ISS zuletzt nur noch Ermächtigungen für einen Bezugsrechtsausschluss in Höhe von maximal 10 % des Grundkapitals unter Anrechnung paralleler Ermächtigungen tolerierte (Glass Lewis ist mit 20 % absolut etwas großzügiger).

Des Weiteren soll die Bewertungsrüge, d.h. die Beanstandung, dass eine Gesellschaft neue Aktien zu günstig ausgegeben hat, nicht mehr mittels Anfechtungsklage erhoben werden können, sondern für Bewertungsrügen soll zukünftig ausschließlich das Spruchverfahren Anwendung finden. Zusätzlich ist vorgesehen, dass die Gesellschaft dem Aktionär den Ausgleich für einen zu geringen Preis für die neuen Aktien schuldet, die Gesellschaft aber von dem Aktionär, der die neuen Aktien übernimmt, eine Erstattung bzw. Freistellung beanspruchen kann. Des Weiteren regelt der Referentenentwurf, dass der Wert der neuen Aktien, der als Referenz für die Beurteilung, ob der Preis für die neuen Aktien angemessen oder zu niedrig war, grundsätzlich anhand des Dreimonats-Durchschnittsbörsenkurses zu ermitteln ist.

Erhöhung der Volumengrenze beim bedingten Kapital für Unternehmenszusammenschlüsse und für die Gewährung von Bezugsrechten an Arbeitnehmer und Führungskräfte

Eine Aktiengesellschaft kann sich derzeit durch die Hauptversammlung ein bedingtes Kapital in Höhe von bis zu 50 % des Grundkapitals einräumen lassen. Wird das bedingte Kapital für die Vorbereitung des Zusammenschlusses mehrerer Unternehmen genutzt, sieht der derzeitige Referentenentwurf des ZuFinG vor, dass die 50 %-Grenze auf 60 % angehoben werden soll. Der praktische Nutzen dieser Änderung ist allerdings fraglich, da bedingtes Kapital in der Transaktionspraxis nicht für Unternehmenszusammenschlüsse herangezogen wird. Dies liegt daran, dass das bedingte Kapital – wie es von der Hauptversammlung beschlossen wird – den Bezugsberechtigten bereits benennen muss, was es gerade als „Kapitalreserve“ für zukünftige Unternehmenszusammenschlüsse unbrauchbar macht.

Zudem sieht der Referentenentwurf vor, dass der Bezugsrechtsausschluss für die Gewährung von Bezugsrechten an Arbeitnehmer und Mitglieder der Geschäftsführung von maximal 10 % des Grundkapitals auf 20 % angehoben werden soll. Diese Regelung würde jungen Wachstumsunternehmen zugutekommen, die in den letzten Jahren bei der Mitarbeiter- und Managementvergütung auf breiter Ebene auf Aktienoptionen und/oder Bezugsrechte gesetzt haben. Andererseits könnten sich Schwierigkeiten bei der Implementierung einer 20 %-Volumengrenze, die durch die Hauptversammlung beschlossen werden müsste, aufgrund der aktuellen Empfehlungen der Stimmrechtsberater ergeben, da ISS grundsätzlich 5 % und maximal 10 % für Wachstumsunternehmen befürwortet.

(Wieder-)Einführung von Mehrstimmrechtsaktien

Nachdem 1998 Mehrstimmrechte, d.h. Satzungsklauseln, die Aktionären mehr Stimmkraft einräumen, als es seiner Kapitalbeteiligung entspricht, abgeschafft wurden, enthält der Referentenentwurf Regelungen, die Mehrstimmrechte wieder ins deutsche Aktienrecht einführen. Hierdurch soll insbesondere die Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität Deutschlands als Investitions- und Listingstandort erhöht werden, denn Gründer und Investoren von deutschen Unternehmen scheuen oft den Börsengang aus Angst, hierdurch die Kontrolle über ihr (ggf. noch junges) Unternehmen zu verlieren. Gleichzeitig müssen sie dann aber auch auf einen wichtigen Weg für die Eigenkapitalaufnahme verzichten. Die geplanten Regelungen stehen auch in Einklang mit den vorgeschlagenen Neuerungen des EU Listing Act, wonach die Mitgliedstaaten für Unternehmen, die eine Zulassung zum Handel auf einem KMU-Wachstumsmarkt anstreben, Mehrstimmrechte vorsehen sollen. Teil der geplanten Einführung von Mehrstimmrechten sind auch verschiedene Regelungen zum Anleger- und Minderheitsschutz; insofern sollen Mehrstimmrechte beispielsweise nicht unbegrenzt zulässig sein, sondern nur bis zu einem Stimmverhältnis von 10:1 und maximal für zehn Jahre bzw. nach einem Verlängerungsvotum 20 Jahre gelten.

Einführung von Spezialvorschriften für SPACs

Die deutschen gesellschaftsrechtlichen Strukturen lassen das Aufsetzen einer Special Purpose Acquisition Company (SPAC) nach US-amerikanischem Vorbild bisher nicht zu. Die wenigen in Deutschland gelisteten SPACs sind daher meist luxemburgische SEs. Der Referentenentwurf sieht daher eine Öffnung des deutschen Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts für SPACs bzw. in der Diktion des ZuFinG „Börsenmantelaktiengsellschaften“ (BMAG) vor. Vorgesehen ist, die Spezialnormen für BMAGs, die die für Aktiengesellschaften maßgeblichen Vorschriften punktuell modifizieren werden, im Börsengesetz zu verorten.

Einführung elektronischer Aktien

Die Digitalisierung nimmt auch im Wertpapierrecht weiter zu. Nachdem Inhaberschuldverschreibungen bereits als elektronische Wertpapiere begeben werden können, soll diese Möglichkeit nunmehr auch für Inhaber- und Namensaktien geschaffen werden. Dabei unterscheiden sich elektronische Aktien von herkömmlichen Aktien lediglich dadurch, dass sie nicht verbrieft sind, sondern stattdessen in ein elektronisches Wertpapierregister eingetragen werden. Der Referentenentwurf sieht vor, dass Inhaber- und Namensaktien zukünftig als Zentralregisterwertpapiere begeben werden können. Ausschließlich für Namensaktien soll zudem die Möglichkeit bestehen, diese als Kryptowertpapiere unter Einsatz der Blockchain-Technologie zu begeben.

Verwahrung von Kryptowerten

Betreiber von Kryptoverwahrgeschäften müssen nach dem Referentenentwurf zukünftig sicherstellen, dass Kryptowerte und kryptographische Schlüssel von Kunden getrennt von ihren eigenen Kryptowerten und kryptographischen Schlüsseln verwahrt werden. Dies ist bereits aus anderen Bereichen, z.B. dem Zahlungsdienste- oder Investmentrecht, bekannt und werden nunmehr auch bei der Kryptoverwahrung als besondere Pflichten eingeführt.

Zudem wird klargestellt, dass der im Rahmen eines Kryptoverwahrgeschäfts für einen Kunden verwahrte Kryptowert als dem Kunden gehörig gilt, sofern der Kunde nicht die Einwilligung zu Verfügungen über den Wert für Rechnung eines Dritten erteilt hat. Gleiches gilt zum Schutz von Kunden auch für Anteile an Kryptowerten in gemeinschaftlicher Verwahrung sowie für isoliert verwahrte private kryptographische Schlüssel.

Änderung bei der steuerlichen Privilegierung der Überlassung von Vermögensbeteiligungen

Der jährliche steuerfreie Höchstbetrag betreffend die Überlassung von Vermögensbeteiligungen iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, b und f bis l und Abs. 2 bis 5 des Fünften Vermögensbildungsgesetzes (Aktien, GmbH-Anteile, etc.), die vom Arbeitgeber bzw. von einem Gesellschafter des Arbeitgebers gewährt werden, wird mit Wirkung ab VZ 2024 von EUR 1.400 auf EUR 5.000 angehoben. Die Entgeltumwandlung wird künftig nicht mehr begünstigt, d.h. die Vermögensbeteiligungen müssen zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden (§ 3 Nr. 39 EStG-E). Sofern in diesen Fällen die Vermögensbeteiligung innerhalb von drei Jahren verkauft wird, unterliegt der Erlös hieraus, d.h. ohne Abzug der steuerfreien Anschaffungskosten, der Abgeltungsteuer (§ 20 Abs. 4b EStG-E).

Die den Freibetrag übersteigende nachgelagerte Besteuerung der Überlassung von Vermögensbeteiligungen (seitens des Arbeitgebers bzw. – künftig – auch innerhalb eines Konzerns iSd. § 18 AktG) gem. § 19a EStG, soll künftig auch für deutlich größere Unternehmen möglich sein. Demnach ist bei der Prüfung der Schwellenwerte auf den doppelten KMU-Schwellenwert abzustellen, d.h. einen Umsatz von höchstens EUR 100 Mio oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens EUR 86 Mio und die Beschäftigung von weniger als 500 Mitarbeitern (§ 19a Abs. 3 EStG-E). Zudem wird die zeitliche Komponente des Schwellenwerts von zwei auf sieben Jahre sowie der Gründungszeitraum von 12 auf 20 Jahre erweitert.

Des weiteren soll künftig auch die Möglichkeit bestehen, anstelle einer Besteuerung des Sachbezugs seitens des Arbeitnehmers, diesen der pauschalen Lohnsteuer von 25 % auf Ebene des Arbeitgebers zu unterwerfen (§ 19a Abs. 4 EStG-E). Zur Vermeidung der Problematik der Besteuerung von „dry-income“ in Fällen des Arbeitgeberwechsels oder nach Zeitablauf von 20 Jahren soll künftig die Möglichkeit bestehen, die Besteuerung bis zur tatsächlichen Realisierung zu verschieben, wenn der Arbeitgeber unwiderruflich erklärt, dass er die Haftung für die einzubehaltende und abzuführende Lohnsteuer übernimmt (§ 19a Abs. 4b EStG-E).

Erweiterung der umsatzsteuerlichen Befreiungstatbestände auf die Verwaltung von Krediten und Kreditsicherheiten sowie die Verwaltung alternativer Investmentfonds

Daneben wird künftig auch die Verwaltung von Krediten und Kreditsicherheiten durch die Kreditgeber von der Umsatzsteuer befreit (§ 4 Nr. 8 Buchst. a, g UStG-E). Auf diese Weise wird ein umsatzsteuerliches „Level-Playing-Field“ bei der Besteuerung von Verwaltungsleistungen von Konsortialführern eingeführt. Es sollen damit gleiche Wettbewerbsbedingungen für die deutsche Kreditwirtschaft geschaffen werden. Gleiches gilt für Verwaltungsleistungen sämtlicher alternativer Investmentfonds iSd. § 1 Abs. 3 KWG, die künftig ebenfalls von der Umsatzsteuer befreit werden sollen (§ 4 Nr. 8 Buchst. h UStG-E).

Englischsprachige Kommunikation mit Aufsichtsbehörden

Der Referentenentwurf sieht vor, dass englischsprachige Kommunikation mit Aufsichtsbehörden nunmehr gesetzlich geregelt und umfassend möglich ist. Insbesondere Anzeigen, Unterlagen und Erklärungen an die BaFin und die Deutsche Bundesbank können zukünftig ganz oder teilweise in englischer Sprache eingereicht werden. Allerdings behält die BaFin das Recht, die Vorlage einer (beglaubigten) Übersetzung zu verlangen.

Zugleich werden Schriftformerfordernisse im Aufsichtsrecht um digitale Kommunikations­möglichkeiten ergänzt. Darüber hinaus soll die BaFin zukünftig Verwaltungsakte auch elektronisch bekanntgeben oder zustellen können.

Zeitplan

Es wird erwartet, dass das Bundeskabinett auf Grundlage der Verbändestellungnahmen und -anhörung zeitnah einen Regierungsentwurf beschließt und das Gesetzgebungsverfahren eröffnet. Ziel ist, das Gesetz im laufenden Jahr 2023 zu verabschieden. Die neuen Regelungen sollen überwiegend am Tag nach Verkündung in Kraft treten.

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